Wächterhaus eingeweiht

Wächterhaus eingeweiht, Räume atmen auf

Unterm Dach bleibt alles dicht im Wächterhaus: Die meisten Treppen müssen Michél Nettling und der Rest der Bürogemeinschaft Nest Generation Greatmade steigen, bis sie ihr Nest zum Arbeiten im dritten Obergeschoss erreichen. Foto: Lydia Werner

1x Klingeln K. Lindig, 2x Klingeln B. Lindig, 3x Klingeln G. Bayer. Man muss sich bloß zu helfen wissen. – Dem Besucher des frisch eingeweihten Wächterhauses in der Talstraße 16 erleichtert dieser Hinweis an der Haustür zumindest den Gang ins erste Obergeschoss. Aber die anderen Wächter werden mit kreativen Wegweisern nicht lange auf sich warten lassen. Schließlich sind es alles Künstler, die das vormals leerstehende und arg sanierungsbedürftige Haus nutzen und ihm wieder Leben eingehaucht haben.

Andreasvorstadt. Das wurde mit einer Einweihungsparty groß gefeiert. Während ganz oben noch fix Schrauben in die Dübel gedreht und zwei Bilder aufgehängt sowie der Staubsauger beiseite geschafft wurden, begannen eine Etage darunter die offiziellen Reden. Dr. Urs Warweg strahlt: „Es riecht jetzt ganz anders im Haus. Die Räume atmen richtig auf.“ Er ist ein Vorsitzender des Vereins Wächterhaus, der das Projekt nach Leipziger Modell in der Talstraße 16 realisierte. „Und die Wächter haben es mit viel mehr Mühe und Liebe eingerichtet, als wir das andernorts besichtigen konnten“, lobt er.

Das leerstehende Haus, das der Stadt gehört und von der KoWo verwaltet wird, soll so vor dem Verfall bewahrt werden. Die Wächter zahlen nur Nebenkosten und richteten die Räume selbst her. Toilette eine halbe Treppe tiefer? Kein Problem. Ihre Verträge sind auf fünf Jahre begrenzt und können vorzeitig aufgelöst werden, findet sich ein Käufer für das Gebäude. So sind die Regeln.

In den vergangenen Monaten kostete es viel Arbeit, Schweiß und Mühe, das Haus aus seinem mehrjährigen Winterschlaf zu erwecken. Berge von Schutt, Müll und altem Linoleum mussten raus. Vor allem Farbe, Mobiliar und was man zum Arbeiten so braucht, haben nun mit dem Menschen Einzug gehalten. Und acht Künstler in gelungener Mischung von Malern, Grafikern, Musikern, Schriftstellern und Designern hauchen dem Gebäude als „Wächter“ Leben ein.

Im Erdgeschoss hat Edel Vostry einen „Salon“ eingerichtet, während sich ihr Atelier im zweiten Obergeschoss befindet. Der „Salon“ ist zugleich Galerie und Treff. Feste Termine gibt es noch nicht. Das muss sich noch entwickeln. Der einladende wuchtige dunkelbraune Tisch im größten der vier farbenfrohen Räume verrät schon ein wenig vom Anliegen: „Die Räume bieten sich als Ausstellungsfläche für Künstler an, und der Salon ist als Ort des Austauschs für Gespräche, kleine Veranstaltungen oder Feiern geeignet“, sagt Edel Vostry.

Das erste Obergeschoss teilen sich die Schriftstellerin Katrin Lindig, ihr Mann, der Musiker Björn Lindig, und der Grafiker und Maler Günter Bayer.

Und es gibt noch einen schönen Hof, der auf den Sommer wartet. Lydia Werner / 15.11.10 / TLZ